The most powerful weapon is the one you can’t see

Verspäteter Post von gestern, das Internet war leider zu schlecht zum Posten:

Tag 2 in Agra ist fast beendet und wir haben schon wieder so viele neue Eindrücke sammeln können, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll… Ich versuche es einfach mal mit der richtigen Reihenfolge:

Unsere erstes Zugfahr-Erlebnis Indien-Style haben wir gestern erfolgreich gemeistert. Da unser Host uns empfahl, mindestens 1-2 Stunden vor Abfahrt da zu sein, um uns am Bahnhof zu orientieren, standen wir pünktlich um 7.18 Uhr geschniegelt, gestriegelt und durchleuchtet am Bahnhof Delhi Nizamuddin auf der Matte. Dort stellten wir schnell fest, dass es bei 8 Gleisen eigentlich gar nicht so schwer ist sich zu orientieren, zumal es doch geordneter als erwartet zuging am Bahnhof.   

Also warteten wir geduldig in der morgendlichen Kälte (9 Grad, brrrrr) und waren als einzige Weiße vor Ort wieder Ziel von zahlreichen interessierten Blicken. Dieser charmante junge Mann, ich nehme an er ist ein Sikh, schlich ein Weilchen um uns herum und wollte auch unbedingt ein Foto mit uns (Felix ist der Meinung, dass es ihm nur ums Geld ging, aber ich glaube einfach mal an das Gute im Menschen ;)).     
Quasi um das „Richtiges-Indien-Erlebnis“ perfekt zu machen hatten wir die Sleeper Class, die fast günstigste der insgesamt 8 Zugklassen gebucht. Ein bisschen mulmig war mir am Anfang schon, denn am Bahnsteig liefen so einige Typen rum, mit denen ich jetzt nicht unbedingt in einem Zugabteil sitzen müsste. Draußen am Zug klebte ein Ausdruck mit allen Namen und Sitznummern – und wenn wir bis dahin noch nicht 100pro überzeugt waren, ob das mit der Buchung geklappt hat: da standen tatsächlich unsere Namen drauf! Irgendwie scheint das System ja tatsächlich zu funktionieren… Und wie so oft war es gar nicht so schlimm wie einem immer alle weismachen wollen und wir landeten auf einer Sitzbank mit einer indischen Mutter und ihren drei Kindern – besser hätte man es also quasi nicht treffen können. Und siehe da: (fast) pünktlich wie die deutsche Bahn setzte sich der Zug in Bewegung und wir fuhren zum ersten Mal im Zug in Indien und freuten uns darüber, dass doch alles so unkompliziert lief. Und damit es währen der für 3 Stunden angesetzten Fahrt nicht langweilig wird, kamen ungefähr alle 10 Sekunden Händler vorbei, die neben Chai und Essen auch so praktische Dinge wie Socken, Schuhsolen, blinkende Flummis, Uno und Reisverschluss-Zipper verkauften. Ich meine, wie oft saß ich schon im Zug und habe mir gedacht, dass ich genau jetzt einen Reisverschluss gebrauchen könnte? In dem Punkt ist die Indian Railway der deutschen Bahn auf jeden Fall voraus. ;) Die Familie auf unserem Sitz kaufte auch fleißig Chai und Erdnüsse. Die Verpackungen – wie praktisch – wurden einfach durch das offene Zugfenster entsorgt. Aus den Augen aus dem Sinn – und für uns mülltrennungsfanatische Deutsche nur schwer zu ertragen. Die Schweine, die sich durch die Müllberge entlang der Bahnschienen wühlten, fanden das „Essen auf Schienen“ aber offensichtlich ganz wunderbar. Na denn: Wohl bekomm’s! 


    
Da die Haltestellen in indischen Zügen nicht angesagt werden, waren wir kurz vor der geplanten Ankunft um 12.05 Uhr schon etwas wachsam und quasi jederzeit bereit zum Aussteigen, auch wenn wir nicht wirklich damit rechneten, dass wir pünktlich ankommen würden. Als auch eine Stunde später noch kein Agra in Sicht war, wurden wir dann doch etwas nervöser und ließen uns mit Google Maps lokalisieren – wir hatten gerade einmal knapp über die Hälfte des Weges geschafft! Oha! Agra erreichten wir dann übrigens mit insgesamt knapp 3 1/2 Stunden Verspätung. Und nun beschwere sich noch einmal jemand über die Unpünktlichkeit der deutschen Bahn!     

Am Bahnhof Agra Cantt wurden wir bereits von unserem neuen Airbnb Host Colonel Sharma, oder kurz, Col Sharma erwartet. Er ist zwar schon wohlwissend erst eine Stunde später zum Bahnhof gekommen, aber musste trotzdem noch über 2 Stunden auf uns warten. Col Sharma war 33 Jahre lang bei der Army und genießt auch jetzt noch, in seiner Rentenzeit, einige Privilegien. So fuhren wir beispielsweise eine Abkürzung durch ein Militärgebiet – in das man sonst als Normalsterblicher gar nicht reinkommt. Col Sharma und seine Frau Rita haben ein tolles, großes Haus und unser Zimmer war wirklich mit jeglichem Komfort ausgestattet, den man sich nur wünschen konnte. Ein unglaublich großer Gegensatz zur Gegend drumherum und irgendwie ein bisschen surreal. Wir wurden super lieb und herzlich von den beiden empfangen und uns wurde sofort von der Maid ein unglaublich großes Lunch-Buffet mit allen möglichen indischen Speisen serviert. Es gab Reis, Linsen mit roten Bohnen, Kartoffeln mit Erdnüssen, Cottage Cheese und Chapati (eine Art Wrap-Fladen) und zum Nachtisch Joghurt mit Zucker und Petha, eine Süßspeise die typisch für Agra ist. Petha besteht aus Kürbis und viel Zucker und hat ein bisschen die Konsistent von Geleebananen. Alles hat wirklich richtig lecker geschmeckt und wir aßen so viel wir konnten – doch selbst als ich kurz vorm Platzen war, wurde mir nochmal aufgetan. Wir hätten ja noch viel zu wenig gegessen bisher?! (Bisher hat noch nie jemand zu mir gesagt, ich esse zu wenig… :P). Hach ja, die gute indische Gastfreundschaft – auf jeden Fall eine Herausforderung für den Magen.  Ein paar Stunden nach dem späten Mittagessen wurde dann direkt auch schon wieder Dinner aufgetischt und ich war noch immer so vollgefuttert, dass mir schon allein beim Gedanken an Essen ganz anders wurde. Auch wenn Col Sharma sagte, dass ich nicht essen muss, wenn ich nicht mag, schaufelte er mir trotzdem von allem ein bisschen auf und irgendwie fand ich dann doch noch einen halben Millimeter Platz in meinem Magen. Futtern aus Höflichkeit quasi. Auch diesmal war das Essen wirklich toll: zum Dinner gab es erst Suppe und dann Reis, rote Möhren, Kohl mit Kokos und Cottage Cheese. Als Nachtisch gab es dann ein Dessert aus Karotte und Kokos. 

Später stellte sich heraus, dass Col Sharma nicht nur jahrelang in der Army war, sondern auch noch nebenbei als Komparse und Schauspieler für Werbung und Filme tätig ist, quasi so aus Spaß. Er zeigte uns ein paar seiner Werbefotos und Viedeoclips – es waren unendlich viele! Wer Col Sharma mal live in Action sehen will, dem sei dieses Video ans Herz gelegt: http://youtu.be/OOocrpQ0LzI 

Zum Abschluss wollte ich euch noch ein schönes Zitat mit auf den Weg geben, das Col Sharma uns beim Abendbrot sagte und somit ist auch der Titel dieses Blogbeitrags erklärt (Achtung, es wird philosophisch):

The most powerful weapon is the one you can’t see.

Er sagte, dass zum Beispiel Liebe nicht sichtbar ist und trotzdem die Macht hat, Menschen zu verbinden und immer im Raum steht. Schön, oder? Bei mir hört sich das jetzt relativ plump an, aber stellt euch die Erklärung einfach bitte von einem alten, weisen Opa mit Brille vor, der schon sehr viel in seinem Leben erlebt hat und vielleicht könnt ihr euch die Schönheit seiner Worte dann besser vorstellen… 

christin

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